Beschlussvorschlag:

Der Betriebsausschuss 2 beauftragt die Verwaltung, ein aktualisiertes Schulentwicklungs-Konzept für
den Primarstufenbereich in Castrop-Rauxel zu erstellen. Dabei sind folgende Aspekte besonders zu
berücksichtigen:

Aktualisierung der Entwicklung der Schüler:innenzahlen anhand der aktuellen Geburtenraten

Analyse des Schulwahlverhaltens der Eltern und des Raumpotenzial der vorhandenen
Grundschulen

Strukturelle Steuerungsmechanismen zur Erreichung annähernd gleicher, möglichst kleiner
Klassen im gesamten Stadtgebiet

Ausweis konkreter Handlungsoptionen zur Ausweitung des Schulraumes im Primarbereich

Konkrete Ausbauperspektiven für den OGS-Bereich (auch vor dem Hintergrund des
kommenden Rechtsanspruchs) und Entwicklung flankierender Maßnahmen zur Ausweitung
der pädagogischen Arbeit

Bilanzierung der bisherigen Erfolge und Schwierigkeiten der Inklusion im Primarbereich zur
Benennung konkreter weiterer Entwicklungsziele.

Auswirkung der Anschaffung von technischen Ausstattungen (Endgeräte etc.) auf das
didaktische Lehrkonzept

Auswirkungen der (coronabedingten) Fördermehrbedarfe auf die Konzeptionen

Begründung:
Wir stehen in Castrop-Rauxel auf unterschiedlichen Ebenen vor umfassenden Herausforderungen in Bezug auf die Schulentwicklungsplanung, besonders im Primarbereich.
Entgegen früher betriebener Schulentwicklungspolitik ist diese keinesfalls mehr eine reine Mathematik, der zufolge zur Verfügung stehender Klassenraum auf die Schüler:innen verteilt wird, sondern vielmehr eine zentrale politische Steuerungsaufgabe, mit deren Hilfe junge Menschen in unserer Stadt ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend gefördert werden können.
So haben sich in den vergangenen Jahren die Lebenswege von Menschen auch in unserer Stadt pluralisiert. Das Einverdiener:in-Modell früherer Zeiten gehört bereits seit vielen Jahren der Vergangenheit an. Vielmehr müssen mittlerweile beide Elternteile Geld verdienen, um die Familie finanziell abzusichern, was somit unmittelbare Konsequenzen auf die Ansprüche von Eltern an die Schule hat. Diese nämlich ist nicht mehr nur als Ort des Lernens, sondern auch als Ort der Betreuung und Förderung im Vormittags- und Nachmittagsbereich anzusehen.
Darüber hinaus leben auch in Castrop-Rauxel zahlreiche Kinder in prekären Lebensverhältnissen. Diese Kinder aktiv auf ihrem Lebensweg zu unterstützen und ihnen einen Ort der Geborgenheit und des Aufbaus von Lebensperspektiven zu geben, ist ebenfalls eine Aufgabe der Schule.
Neben diesen sozialen Herausforderungen drängen auch zunehmend tagespolitische Einflüsse in die Schullandschaft hinein. Neben der Frage der zukünftigen Beschulung der Kinder von Geflüchteten steht auch die Frage der Steuerung des Inklusionsprozesses ganz oben auf der zu Agenda unserer schulpolitischer Planungen für unsere Stadt.
All diese Herausforderungen werden wir als Kommune aufgrund unserer prekären Haushaltssituation nicht alleine lösen können. Vielmehr bedarf es eines Schulterschlusses mit dem Land und dem Bund, damit wir in die Lage versetzt werden, auch weiterhin eine soziale Schulpolitik betreiben zu können.
Die Grundlage der bisherigen Schulentwicklungsplanung bildete das Schober-Gutachten.
Dieses ging zunächst von 500 Schüler:innen ab dem Schuljahr 2017/2018 aus. Entgegen dieser Prognose entwickelten sich jedoch die Geburtenzahlen positiver als erwartet, sodass die Notwendigkeit besteht, mittelfristig die bisher getätigten Planungen zu überdenken.
Doch nicht nur die reinen Schüler:innenzahlen, sondern auch die Bedürfnisse der Eltern an Schule haben sich geändert. So steigt jährlich der Bedarf an Plätzen in der Offenen Ganztagsschule und damit verbunden auch die Forderung der Eltern, diese flexibler nutzen zu können.
Darüber hinaus stellt auch der Inklusionsprozess eine Herausforderung für die Grundschulen dar und verlangt nach einer gründlichen Koordinierung dieses Prozesses.

Daraus lassen sich die Handlungsfelder der Schulraumversorgung, des Umganges mit der Betreuung sowie der Inklusionsprozess als die zentralen Herausforderungen im Primarbereich herauskristallisieren.
Der Schulraum im Primarstufenbereich wurde im Anschluss an das Schober-Gutachten für 500 Schülerinnen und Schüler pro Jahrgang ausgelegt. Die aktuellen Geburtenzahlen entwickeln sich aktuell jedoch in Richtung der Marke von ca. 600 Schülerinnen und Schüler.
Das bedeutet, dass perspektivisch gesehen ein Überhang von 400 Schülerinnen und Schülern in den Grundschulen unserer Stadt besteht. Die durch die Zuwanderung Geflüchteter noch hinzukommenden Schülerinnen und Schüler sind in diese Berechnung noch nicht einbezogen.
Die Lösung in dieser Problematik darf nicht darin zu suchen sein, den Klassenfrequenzrichtwert zu erhöhen. Schließlich wird in einzelnen Klassen bereits jetzt mit 30 Kindern gearbeitet. Solche Beschulungen müssen im Sinne der Kinder ein Ende haben.
Wenngleich auch bislang alle Schüler:innen aktuell zwar sehr gut beschult werden können, so besteht durch die wachsende Schüler: innenzahl jedoch die Problematik, dass den Schulen durch die zusätzlich einzurichtenden Klassen notwendige Räumlichkeiten zur Differenzierung oder Fachräume genommen werden. Nicht zuletzt der Raumbedarf der
Offenen Ganztagsschule wird dadurch ebenfalls beschnitten.
Aus diesem Grund ist es unabdingbar, zusätzlichen Schulraum für den Primarbereich zu schaffen. Die konkrete Umsetzung, ob in Form von Dependancen oder ob eine neue Grundschule eingerichtet werden soll, muss abschließend noch geklärt werden.
Es ist jedoch ebenfalls unabdingbar, mit allen Schulleitungen ins Gespräch darüber zu kommen, wie der aktuelle Raumbedarf der Schule ist und welche zusätzlichen Fach- bzw. Differenzierungsräume vonnöten sind, um ein angenehmes Lernen aller Schüler:innen miteinander zu ermöglichen.
Neben der Beschulung der Schüler:innen sind insbesondere die Grundschulen in Castrop- Rauxel aufgrund des Angebotes des Offenen Ganztages ein Lebensort der Schüler:innen geworden. Aufgrund der enorm steigenden Nachfrage bei den Eltern besteht bereits jetzt eine sehr lange Warteliste. In den kommenden Jahren ist davon auszugehen, dass der Bedarf noch weiter steigen wird. Die Möglichkeiten vonseiten der Stadt zu agieren sind
aufgrund klammer Haushaltskassen nahezu ausgeschöpft. Wenngleich kurzfristig Containerstandorte oder die schulortnahe Unterbringung in anderen Einrichtungen eine kurzfristige Entlastung der Situation bringen, so sind dies keine Dauerlösungen. Vielmehr bedarf es hier einer langfristigen Planung der zukünftigen Gestaltung des Offenen
Ganztages mithilfe der Unterstützung der Landesregierung.
Die Grundlage hierzu sollte eine Erhebung des (voraussichtlichen) zukünftigen Bedarfs an OGS-Plätzen bilden. Hierbei sollte neben dem Bedarf als solchem auch abgefragt werden, ob Betreuungsbedarf an allen Schultagen bis 16 Uhr oder nur zu bestimmten Zeiten oder auch im Bereich der Randzeiten besteht.

Mit den sich daraus ergebenden Resultaten müssen dann Gespräche mit der Landesregierung geführt werden, damit die OGS gegebenenfalls flexibler eingerichtet werden kann.
Auch die Möglichkeit zur Einrichtung des gebundenen Ganztages an zunächst einzelnen Modellschulen sollte dabei geprüft werden.
Die Inklusion bildet eine zentrale Herausforderung in der aktuellen Schulentwicklungspolitik im Primarbereich. Auch dieser Prozess bedarf einer Steuerung. Wenngleich zu Beginn der Grundschulzeit nicht absehbar ist, wie hoch der tatsächliche Anteil an Schüler: innen mit einem Förderschwerpunkt ist, so bestehen doch Erfahrungswerte der vergangenen Jahre, auf deren Grundlage der Inklusionsprozess gesteuert werden kann. So sollten zunächst in
Absprache mit den Schulen einzelne Schwerpunktschulen gebildet werden, damit an einzelnen Schulen das Know-How zu den einzelnen Förderschwerpunkten gebündelt werden kann. Zwar können Eltern nicht dazu gezwungen werden, ihr Kind an dieser Schule anzumelden, doch kann man durch die Bildung dieser Schwerpunktschulen gute Gründe schaffen, dies zu tun.
Inklusion kann nicht zum Nulltarif geschehen. Hier stehen wir als Politik in der Verantwortung, Differenzierungsräume, Budgets zur individuellen Förderung sowie
Möglichkeiten zur speziellen Förderung auch im Nachmittagsbereich bereitzuhalten.